Beim Blättern durch Facebook-Seiten, Blogs und Foren fallen mir immer wieder die gleichen Menschen auf, die Postings kommentieren. Nicht wegen ihres Namens oder Avatar-Fotos, sondern wegen des stereotypen Stils, in dem sie kommentieren.
Überrascht hat mich bei genauerem Hinsehen, wie viele Varianten von destruktiven Kommentatoren dabei auftreten – wobei den meisten wohl nicht einmal klar ist, wie destruktiv ihre Art zu kommentieren tatsächlich ist.
Besonders ärgerlich finde ich Menschen, die gedankenlos die Arbeit, die Mühe, den Aufwand anderer mit lapidaren Kurzbemerkungen abkanzeln. Ein Blogger recherchiert lang, macht sich intensiv Gedanken zu einem Thema. Dann liest jemand nur Überschrift und Vorspann und kommentiert pauschal und undifferenziert: „so ein Mist“. Früher nannte man solche Menschen „Elefanten im Porzellanladen“, heute scheint das grundlose Abkanzeln völlig fremder Menschen irgendwie hipp und cool zu sein. Wie sehr das den Autoren eines Beitrags verletzt, der viel Herzblut in eine Geschichte gesteckt hat, schein kaum noch jemanden zu stören.
Erfreulicherweise gibt es aber auch zahlreiche tolle Menschen, die sich über gute Texte freuen, loben, sich bedanken, konstruktiv kritisieren, eigene Erfahrungen ergänzen, auf Fehler freundlich hinweisen.
Diesen wunderbaren Menschen möchte ich die folgende Typisierung von Kommentatoren widmen, auf dass sie sich amüsieren und ihre konstruktive und herzliche Art des Umgangs mit anderen Menschen beibehalten, ungeachtet des Trends zu Rücksichtslosigkeit und Selbstdarstellung um jeden Preis.
Dauernörgler: kanzelt alles, aber wirklich alles, was er sieht mit einem lapidaren „so ´n Scheiss“ oder „wer brauchen denn diesen Mist?“ ab.
Oberlehrer: wir lieben sie alle, aber in Blog-Kommentaren setzen sie meist noch einen drauf, z.B.: „Im dritten Absatz sind gleich zwei Kommafehler in einem Satz – wie glaubwürdig ist denn das Ganze hier, wenn Du nicht einmal auf richtige Interpunktion achtest?“
Politisch Korrekte: drehen jedem das Wort im Mund um und finden auch in den harmlosesten (und ganz anders gemeinten) Aussagen noch irgendetwas, aus dem sie dem Autor einen moralischen Strick drehen.
Verschwörungstheoretiker: vermutet hinter allem das Wirken einer bösen Macht – Unternehmen, die nur die Ausbeutung wahlweise ihres Personal oder Abzocke ihrer Kunden im Sinn haben; Regierungen, die ausschließlich nach totaler Macht streben; einfache Menschen, die ausschließlich Böses im Schilde führen, selbst wenn sie selbstlos und freundlich sind.
Freigeister: harmlos aber verwirrend – niemand versteht, was sie mit ihren scheinbar konfusen, zusammenhanglosen Kommentaren eigentlich sagen wollen. Häufigste Reaktion anderer auf deren Kommentare: „???“.
Beleidigte: lesen aus jedem Nebensatz einen persönlichen Angriff auf ihre eigene Person heraus, unabhängig davon, wie absurd das sein mag. Versucht, das Missverständnis richtigzustellen, werden als Bestätigung gesehen – warum würde sich der Autor sonst wohl rechtfertigen wollen?
Frauenrechtler: verwechselt biologisches mit grammatikalischen Geschlecht und prangert jeden an, der in seinen Texten auch nur ein einziges Mal einen männlichen Artikel verwendet, ohne das Ganze durch ein „in“ beziehungsweise „Innen“ zu ergänzen, a la „der/die Mond/in“.
Entführer: kommentiert einfach ohne weitere Worte mit einem Link zu seinem eigenen Blog, zu einem von ihm gemachten Video o.ä. und versucht damit, die Leser vom ursprünglichen Beitrag weg und auf recht unfeine Weise zu sich zu locken.
Trolle: für diejenigen, die noch nie einem begegnet sind – Trolle sind Leute, die absichtlich oder aufgrund einer heftigen, psychischen Störung gezielt kaputt machen, stören, sabotieren wollen. Entsprechend fallen ihre Kommentare aus.
Infragesteller: Besonders in Support-Foren häufig anzutreffen sind Menschen, die eine konkrete Frage (z.B. „Wie kann ich in Windows eine Datei öffnen?“) mit der Gegenfrage: „Warum willst Du das denn machen? “ beantworten. Ab da wird nur noch diskutiert, wie sinnlos das ist, was der Fragesteller tun will. Auf eine Antwort auf seine eigentlich ganz simple Frage wartet er deshalb vergeblich.
Aber daneben gibt es sie tatsächlich auch noch: normale Menschen. Die fallen nicht durch einen einheitlichen Kommentar-Stil auf, lassen sich nicht in eine Schublade strecken. Es sind einfach ganz normale, vernünftige Menschen, die ohne überzogene Emotionen und unter Wahrung von Würde und Anstand ihre Meinung sagen. Je nach Forum, Blog oder Facebook-Seite sind diese Menschen – erfreulicherweise – gelegentlich sogar in der Mehrheit.
Und dann gibt es auch noch die „heimlichen Mitarbeiter“ – sie sorgen für die positiven Highlights in jedem Kommentar-Thread. Sie kritisieren engagiert und sachlich, machen Verbesserungsvorschlägen, verteidigen den Autor oft sogar gegen unqualifizierte Angriffe anderer Kommentatoren, bleiben immer fair und höflich. Jeder Autor ist glücklich, wenn er solche Leser hat, denn sie helfen ihm, besser zu werden und motivieren enorm. Für solche Leser geht der Autor schonmal die berühmte „extra Meile“ und revanchiert sich mit weiteren Details und zusätzlicher Recherche.
Nur von sich selbst wahrgenommen wird dagegen der Nicht-Kommentierer. Er ist die letzte Variante des Kommentators, die ich hier nicht unerwähnt lassen will. Kurioserweise schreibt er nämlich ausführliche Kommentare, redet sich alles von der Seele, was er zu einem Thema zu sagen hat – aber kurz bevor er den „jetzt veröffentlichen“-Button klickt, löscht er den Kommentar wieder. Weil er im letzten Moment merkt, dass ihm die nachfolgende Diskussion über den Kopf wachsen würde oder der Autor des kommentierten Beitrags es eigentlich gar nicht verdient hat, durch einen Kommentar gewürdigt zu werden. Und das ist dann tatsächlich oft auch besser so …