Mehr redaktionelle Transparenz – ein Versuch mit WordPress

Die neuerliche Diskussion um mehr Transparenz und Offenheit in Online-News und Blog-Beiträgen (vgl. YuccaTree Posts bzw. 22 ideas for changing the way news is produced) ist wesentlich konkreter geworden als noch vor einigen Monaten und damit wirklich spannend. Deshalb habe ich für Ceterumcenseo.net jetzt testweise ein Klassifizierungs-System eingeführt, dass mehr Informationen darüber geben soll, unter welchen Umständen Produkt-Besprechung und Test zustande gekommen ist.

In jedem Posting die Einzelheiten in Prosa auszubreiten erschien mir zu unübersichtlich und letztlich auch unnötig (ich komme später auf diesen Punkt zurück). Deshalb sind entsprechende Postings ab sofort mit einfachen Icons markiert, über die der Leser Informationen darüber bekommt, ob ein Produkt beispielsweise von einem Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt wurde und ob gegebenfalls andere Verbindungen zum Hersteller bestehen.

Im Folgenden will ich sowohl ein paar grundsätzliche Aspekte zum Thema Transparenz und Produkttests ansprechen, also auch kurz zeigen, wie ich das Klassifizierungs-System mit WordPress-Bordmitteln umgesetzt habe.

Warum Transparenz nicht so einfach ist, es wie es zunächst scheint

Ich habe jahrelang in der Redaktion der PC Professionell als Redakteur und Chefredakteur gearbeitet und dabei vor allem eine Erfahrung gemacht: Es ist – Wille und Verantwortungsbewußtsein vorausgesetzt – relativ einfach, unabhängige, von Herstellern unbeeinflußte Tests und Vergleichstests von Produkten zu machen. Spielt der Verlag insgesamt mit, haben auch große und wichtige Anzeigenkunden keinen Einfluß auf Testergebnisse.

Viel schwieriger ist es, diese Tatsache auch an die (legitimerweise skeptischen) Leser zu kommunizieren. Fällt ein Test nicht so aus, wie der Leser selbst ein Produkt subjektiv erlebt hat, wird der Redaktion natürlich sofort unterstellt, sie sei gekauft (wenn der Test besser abschneidet als subjektiv empfunden) oder sie würde Kampagnen-Journalismus gegen einen Hersteller machen (wenn der Test schlechter ausfällt als subjektiv erlebt). Das sind Vorurteile, von denen viele Leser kaum abrücken mögen. Mehr Transparenz führt lediglich dazu, die Vorurteile noch zu bestärken, weil der Leser eine Redaktion die Unabhängigkeit entweder glaubt (dann ist alles gut und Transparenz funktioniert) oder eben grundsätzlich mißtraut (und dann kann man offen und transparent sein, wie man will, man kommt auf keinen grünen Zweig). Deshalb macht meiner Überzeugung nach ein standardisiertes Klassifizierungs-Verfahren mehr Sinn als ausführliche Beschreibungen im Einzelfall. Aber diese Punkt diskutiere ich mit Euch bei Bedarf gerne ausführlicher.

Transparenz-Tags in WordPress

Jetzt aber kurz dazu, wie ich die Klassifizierung von Beiträgen in WordPress umgesetzt habe. Vermutlich gibt es elegantere und wahrscheinlich auf performantere Lösungen, aber diese hier ist erst einmal schnell, einfach und ohne große Änderungen im Code einzubauen. Wie das Endergebnis aussieht, könnt Ihr am Ende dieses Postings sehen, wo ich einfach mal drei der sechs Icons beispielhaft integriert habe – in diesem Fall wirklich beispielhaft eingesetzt, in dieser Zusammenstellung natürlich widersprüchlich und ohne inhaltliche Aussage über dieses Posting ;-)

Die Benutzerdefinierten Felder bieten sich dafür geradezu an. Ich habe sechs mögliche Klassifizierungen eingeführt, die sich gegebenfalls auch additiv einsetzen lassen. In letzterem Fall bekommt der Beitrag dann zwei oder mehr benutzerdefinierte Felder mit immer dem gleichen Namen, aber unterschiedlichen Werten.

Legen wir also ein neues benutzerdefiniertes Feld namens „Klassifizierung“ an und geben ihm einen Wert von 1 bis 6. Statt Ziffern lassen sich natürlich beliebige andere Werte verwenden; ich benutzt den Wert später dazu, das jeweils passende Icon darzustellen und der Wert ist schlicht Bestandteil des Dateinamens der Icons. Entsprechend müssen die Icons passend zum Wert des Feldes benannt werden.

Da ich die Klassifizierung nur in der Volltext-Variante eines Beitrags haben will, müssen wir lediglich die single.php des Themes um ein paar Zeilen Code ergänzen, welche die Klassifizierung ausgeben (also die Datei, die für die Ausgabe eines einzelnen, vollständigen Blog-Beitrags zuständig ist). Der folgende Code muss als PHP-Block eingebaut werden, also umschlossen von <?php und ?>.

$klassifizierung = get_post_custom_values('Klassifizierung');

if ($klassifizierung != "") {
  echo "Klassifizierung (?): ";

  $klasse&#91;1] = "Testgegenstand selbst bezahlt beziehungsweise 
Freeware oder Open Source";
  $klasse&#91;2] = "Testgegenstand kostenlos vom Hersteller 
zeitlich befristet erhalten";
  $klasse&#91;3] = "Testgegenstand kostenlos vom Hersteller erhalten";
  $klasse&#91;4] = "Link zum Hersteller/Online-Shop ist ein 
Affiliate-Link, über den Ceterumcenseo.net Vermittlungs- 
oder Verkaufsprovision erhält";
  $klasse&#91;5] = "Hersteller des Testgegenstands steht 
in anderweitiger geschäftlicher Beziehung zu ceterumcenseo.net";
  $klasse&#91;6] = "Besprechung des Testgegenstands ist Teil 
einer Vereinbarung mit dem Hersteller";

  foreach ( $klassifizierung as $key => $value ) {
    echo '' . $klasse&#91;$value] . ' ';
  }
}

Sorry, aus irgend einem Grund bringt der Code-Block von WordPress es nicht fertig, eckige Klammern richtig darzustellen. Bitte im Code #91; durch [ ersetzen.

Im Grund ist der Code schnell erklärt: $klassifizierung = get_post_custom_values(‚Klassifizierung‘); lädt die vorhandenen Werte aus dem Feld Klassifizierung zum aktuellen Blog-Posting und speichert sie als Array in der Variablen $klassifizierung.

Die übrigend Anweisungen werden nur ausgeführt, wenn Klassifizierungs-Informationen vorhanden sind, $klassifizierung also nicht leer ist.

Die folgenden Zeilen $klasse[1] bis $klasse [6] legen den jeweiligen Tooltip-Text fest, der später bei Hover über das jeweilige Icon angezeigt wird.

Die foreach-Schleife durchläuft das Array und stellt die vorhandenen Klassifizierungen als Icons dar. Der Link hinter jedem Icon führt zu einer WordPress-Seite, die das Klassifizierungssystem genauer erklärt. Um die Kurzerläuterungen, die in $klasse[1] bis $klasse [6] abgelegt sind, als CSS-Tooltip erscheinen zu lassen, bekommt der Link zusätzlich die Klasse tooltip. Der komplette CSS-Quellcode sieht wie folgt aus. Er dient vor allem dazu, den Hover-Effekt zu ermöglichen und den Tooltip optischen aufzuhübschen:

a.tooltip {
text-decoration:none;
}

.tooltip span.info{
display:none;
}

.tooltip:hover span.info{
display:block;
position:absolute;
margin-left: 25px;
background-color: #E4E4E4;
border-color: #363642;
border-style: solid;
border-width: 1px;
color: #000000;
font-weight: normal;
padding: 5px;
}

Um das jeweils richtige Icon mit dem zugehörigen Tooltip darzustellen, wende ich einen kleinen Trick an: Meine Icon-Dateien heißen class1.png, class2.png und so weiter, die Tooltips sind in den Variablen $klasse[1], $klasse[2] und so weiter gespeichert. Die Zahlen entsprechen dabei den möglichen Werten des Feldes Klassifizierung, sodass sich damit beim Durchlaufen der foreach-Schleife bequem büer die Variable $value die Namen der Icon-Dateien zusammensetzen und die richtigen Tooptip-Variablen ansprechen lassen.

Da ich der einzige Autor in meinem Blog bin, habe ich mir zunächst Security-Abfragen gespart. Da wir in dem Script aber von Usern eingegebene Daten (nämlich die Feld-Werte) verarbeiten, sind ein paar zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen im Code dringend angeraten. In meinem Beispiel-Code reicht es bereits, die Feld-Werte zu überprüfen und lediglich einstellige Zahlenwerte von 1 bis 6 zuzulassen, etwa über die folgenden zwei Zeilen in der foreach-Schleife:

foreach ( $klassifizierung as $key => $value ) {
       $moeglichewerte = '/&#91;1-6]/';
       if(preg_match($moeglichewerte, $value)) {
echo '

Auch hier bitte im Code #91; durch [ ersetzen.

So sollte das Einschmuggeln von Fremdcode über die Feld-Werte unmöglich werden.

Übrigens: Begabte Icon-Designer sind natürlich herzlich willkommen, das Design der Icons zu optimieren ;-)

  • Comments: 3

Tags: , , , , , ,
Klassifizierung (?): Testgegenstand selbst bezahlt beziehungsweise Freeware oder Open Source Testgegenstand kostenlos vom Hersteller zeitlich befristet erhalten Besprechung des Testgegenstands ist Teil einer Vereinbarung mit dem Hersteller 

3 Kommentare zu “Mehr redaktionelle Transparenz – ein Versuch mit WordPress”


  1. Frank
    on Okt 11th, 2009
    @ 17:53

    Hi,

    wirklich ein guter Ansatz, Klasse, dass mal jemand ne Schritt in die richtige Richtung macht! Musste leider auch schon oft feststellen, dass Hifi, Multimedia & Hardware Tests teils gezielt in die Irre führen, um Verkäufe zu forcieren. Wenn sich ein derartiges Klassifizierungs-System etablieren könnte, hätte man als Konsument tatsächlich ne bessere Möglichkeit, die Objektivität von Tests einzuschätzen. Ich befürchte allerdings, dass das nur wenige Testanbieter umsetzen werden :-(


  2. f.maiers
    on Okt 16th, 2009
    @ 9:03

    Jeder ist doch nur auf seine Gewinn fixiert. Von daher ist es nichts neues das Tests teilweise manipuliert bzw. unvollständig sind. Wer was anderes denkt liegt meiner Meinung nach falsch!

    Aber jedem halt das seine. =)


  3. Franz
    on Okt 16th, 2009
    @ 9:22

    Da sind wir bei einem ganz spannenden Punkt: Klar sind Tests immer wiedermal manipuliert, in manchen Branchen mehr als in anderen — genau deshalb ist eine höhere Transparenz ja so wichtig.

    Aber kurze Frage vorneweg: Was ist so falsch daran, seinen Lebensunterhalt verdienen zu wollen? „Nicht auf Gewinn fixiert zu sein“ ist doch eher eine Utopie einer sehr altruistischen, um nicht zu sagen sozialistischen Gesellschaft, oder? ;-)

    Aber unabhängig davon finde ich es falsch davon auszugehen, dass „auf Gewinn fixiert sein“ automatisch bedeutet, dass Tests manipuliert sind. Denn es gibt durchaus sehr erfolgreiche Geschäftsmodelle (Paradebeispiel Stiftung Warentest, aber auch viele andere), bei denen genau die zweifelsfreie Unabhängigkeit das Geld einspielt und Manipulation diese Geschäftsgrundlage nachhaltig zerstören würde.

    Letztlich gibt es zwei Wege, wie man einen nachhaltigen Produkttest-Betrieb finanzieren kann: Entweder ich lasse mich von meinen Lesern bezahlen (direkt über Heft-Preis/Download, indirekt über Werbeeinnahmen) oder man kann sich von Herstellern finanzieren lassen (ebenfalls über Werbeeinnahmen, in diesem Fall nur gekoppelt an Bedingungen bzgl. des Tests; oder gleich „gekaufte Tests“). Wobei Letzteres eher selten vorkommt, weil der Leser es halt einfach sofort merkt und dann geht der vom Hersteller gewünschte Effekt verloren bzw. nach hinten los.

    Grundsätzliches Mißtrauen ist gut, prinzipielle Manipulation-Unterstellung dagegen gibt den Ehrlichen keine Chance. Ich hoffe, dass der Markt zu mehr Transparenz und Offenheit tendiert, damit sich gekaufte von unabhängigen Tests für den Leser besser unterscheiden lassen.

© 2024 Franz Neumeier's "Ceterum Censeo" Blog. Alle Rechte vorbehalten.

Powered by Wordpress and Magatheme by Bryan Helmig.